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Genussradeln im Burgund

Immer den Kanal Nivernais im Blick

Eine Zugbrücke am Canal du Nivernais
Eine Zugbrücke am Canal du Nivernais

 

Es geht ganz schnell. In Sekundenbruchteilen sieht mein Vorderrad aus, als hätte der Metzger Wurst gemacht, aber im Zeitraffertempo. Überall springt der Schlauch aus dem Mantel und wird unwirklich dick. Das Vorderrad blockiert sofort, ich bekomme die Füße noch auf den Boden und der Rest des Mountainbikes trifft mich an den Beinen. Glück gehabt, nicht auf die Nase gelegt (wie meine Frau vor 2 Tagen)! Aber wie bin ich überhaupt in diese brenzlige Situation gekommen? Und wie geht es jetzt weiter?

 

Als wir unser Feriendomizil im Burgund buchen, wollen wir auch mal in die Pedale treten und suchen uns die Lokation passend dafür aus. Und wir nehmen unsere eigenen Mountainbikes mit, dafür haben wir eine Schiene von „BikeInside“ gekauft, um die Teile gut geschützt im Auto transportieren zu können. Dazu wird die Aufnahme für die Vorderräder mittels Schnellverschluss in die Schiene eingespannt, der Sattel wird wie die Vorderräder extra verstaut, fertig. Das weitere Gepäck stopfen wir in die Zwischenräume. Nach gut 8 Stunden kommen wir am Ziel an und erkunden die Gegend zunächst zu Fuß.

 

 

Für die Aktivitäten mit dem Fahrrad haben wir uns den Nivernais-Kanal ausgesucht. Der wurde einmal angelegt, um die Industrie zu unterstützen, dient aber heute nur noch den Erholungssuchenden. Zum großen Teil läuft die Wasserstraße parallel zur Yonne, die an dieser Stelle nicht schiffbar ist. Der Kanal wird durchgängig von einem kombinierten Rad- und Wanderweg begleitet, der keine technische und konditionelle Herausforderung darstellt. Der Reiz liegt woanders. Ich will trotzdem vorsorgen und wechsle die alten Schläuche gegen ein Paar neues, das ich vorab besorgt habe. Dabei schludere ich wohl ein wenig beim Einpassen des Ventils am Vorderrad, was dazu führt, dass der Mantel nicht sauber im Felgenbett liegt. Das fällt mir aber zunächst nicht auf.

 

Los geht es zur ersten Etappe. Dazu möchte ich zunächst erklären, wie der Tourismusverband die verschiedenen Abschnitte aufgeteilt und benannt hat, das gibt nämlich Aufschluss über das, was uns entlang der Strecke erwartet. Der empfohlenen Richtung der Tour folgend, beginne ich beim „Escale Confluence“. Namensgeber ist der Zusammenfluss von Yonne und Loire. Die Etappe beginnt in Dezise an der Loire und führt über eine Distanz von 30 Kilometern bis nach Pannecot. Dass wäre in gut 2 Stunden zu schaffen, und einige der Einheimischen nehmen die Strecke dafür unter die schmalen Reifen ihrer Rennräder. Wir wollen aber mehr von der Umgebung mitbekommen, es soll ja ein Genuss werden! Und so machen wir immer wieder Abstecher zu den Orten am Wegesrand, sehen den Schleusenwärtern bei ihrer Arbeit zu und nehmen uns Zeit, auch die Produkte der Region zu genießen. An der Loire erfreut sich der „Fumé de Pouilly“ großer Beliebtheit, ein trockener Weißer, der aus den Blanc-Fumé Trauben gekeltert wird. Der ist preislich in gehobenen Regionen angesiedelt, findet aber in uns nicht den würdigen Genießer. Es gibt am Wegesrand aber viele Angebote kultureller oder sportlicher Art, da ist für jeden etwas dabei.

 

Natur pur: immer am Canal du Nivernais entlang
Natur pur: immer am Canal du Nivernais entlang

 

Die nächste Etappe, „Escale Nature“, ist zweigeteilt, einmal 35 Kilometer und dann noch einmal 26. Bis zum vorgesehenen Stopp des ersten Teilstückes in Bazolles gilt es, dem Kanal mit einigem Geschlängel durch die Natur zu folgen. Wir freuen uns über die vielen Prachtlibellen und können einer Bisamratte zusehen, bis sie sich am Ufer wieder perfekt in Deckung bringt. Aber die Veloroute hat nicht nur gesunde Natur zu bieten, hier wird auch die Bedeutung der Landwirtschaft deutlich.

 

Der zweite Teil der „Escale Nature“ führt die Radler bis nach Dirol. Schon bald nach dem Start tauchen links Teiche auf: die Etangs de Baye et Vaux. Die Boote fahren bei La Collancelle durch einen Tunnel, wir aber natürlich nicht. Die Schleusentreppe auf der Höhe von Sardy-les-Epiry darf man sich nicht entgehen lassen. Hier folgt im Kanal eine Schleuse auf die andere, 16 an der Zahl. Da muss man sich einfach die Zeit nehmen, die Boote zu beobachten, die je nach Fahrtrichtung angehoben oder abgesenkt werden! Der Abstecher nach Corbigny erfordert einige Gangwechsel, was direkt am Kanal eigentlich nicht nötig ist: die kurzen Steigungen an den Schleusen oder Brücken lassen sich mit ein wenig Schwung locker im großen Gang nehmen.

 

Ein neuer Name, andere Schwerpunkte der Tour: die „Escale Flottage“ erinnert an die Flößerei, mit der früher die Anwohner ihren kargen Lebensstil bestreiten konnten. Auf diesem Abschnitt stoßen wir auf einen Radler mit einem Platten. Seine Luftpumpe wird ihrem Namen nicht gerecht, und wir helfen natürlich aus. Und dann passiert es: nur wenige Meter weiter trifft mich das eingangs beschriebene Schicksal! Alles noch einmal gut gegangen. Aber noch ein kleiner Aufreger: als wir mit der Panne auf der Strecke stehen, kommt der Mann, dem wir gerade geholfen haben, an und fährt wie selbstverständlich vorbei, ohne zumindest einmal nachgefragt zu haben, ob wir Hilfe brauchen!

 

Der Schlauch springt plötzlich aus dem Mantel, ich kann einen Sturz nur mit viel Glück vermeiden
Der Schlauch springt plötzlich aus dem Mantel, ich kann einen Sturz nur mit viel Glück vermeiden

 

Der Ärger ist aber schon bald wieder verflogen, zu schön ist die Landschaft, als dass man sich mit diesem Ausnahmesportler noch lange beschäftigen wollte. Ein Stück weiter zieht eine Anglerin in der kurzen Zeit, die wir dort verweilen, 3 Fische aus dem Kanal. Na, das Mittagessen ist wohl gesichert! Unter den Metallbrücken ist nicht genug Platz für die Boote, daher können diese elektrisch hochgeklappt und für den Auto- (Fahrrad-) Verkehr wieder heruntergelassen werden. Manche der Schleusenwärter bedienen übrigens mehr als nur eine Schleuse und legen den Weg dazwischen ebenfalls mit dem Rad zurück.

 

Clamecy war während der Hochzeit der Flößerei ein Zentrum dieser Tätigkeit. Das lag daran, dass die Yonne ab hier die zu Flößen zusammen gebundenen Baumstämme gut transportieren konnte. Das führte dazu, dass Clamecy zu Wohlstand kam. Das sieht heute anders aus. Die alten Häuser befinden sich fast durchgehend im Originalzustand, will heißen, der Verfall nagt an der Substanz. Einzig im höher gelegenen Zentrum in der Nähe der Kirche wurden einige Häuser renoviert und machen etwas her.

 

Die Bezeichnung für die nun folgende Etappe ist Programm: die „Escale Villages“ wird flankiert von einigen hübschen Dörfern. Welche soll man da hervorheben? Auf keinen Fall vergessen sollte man jedenfalls einen Halt bei Saussois. Dort ragen die Felsen direkt an der Strecke steil empor, und eine kurze Klettertour gibt den Blick frei von dort oben.

 

Um diese Felsen zu erklimmen, muss man kein geübter Kletterer sein, und der Ausblick entschädigt für die kurze Anstrengung
Um diese Felsen zu erklimmen, muss man kein geübter Kletterer sein, und der Ausblick entschädigt für die kurze Anstrengung

 

Die Winzerorte Irancy und Vincelottes finden sich natürlich auf der „Escale Vignoble“. Ersterer schmückt das Etikett von leckeren Rotweinen, und der andere liegt so schön direkt am Wasser, dass eine Rast unbedingt eingeplant werden sollte. Wobei man das Wort „Planung“ wörtlich nehmen sollte, denn auf der Terrasse der „Auberge Les Tilleuls“ gibt es nur Mittags das Menu für günstige 15 Euro, und das auch nicht an jedem Wochentag! Auch St-Bris-le-Vineux ist dem Wein verbunden, wie der Name schon verrät, und ist auf jeden Fall einen Besuch wert.

 

Einer der vielen Höhepunkte der Radtour: die Schleuse wird geflutet
Einer der vielen Höhepunkte der Radtour: die Schleuse wird geflutet

 

Die gesamte Tour führt über Auxerre hinaus, aber dieses Städtchen mit seiner schönen Altstadt und den engen, verwinkelten Gassen ist ein echtes Schmuckstück. Schade, wenn man sich dafür nicht genug Zeit nimmt! Es gibt viele interessante Läden mit wirklich schönem Handwerk, und als Wahrzeichen gilt die „Tour de l’Horloge‘, das prachtvolle Stadttor mit einer schmucken Uhr und einem niedlichen Turm. All das gliedert sich sehr passend in das Zentrum mit seinen alten, gepflegten Fachwerkhäusern ein. Wenn die frische Luft und die Bewegung Hunger gemacht haben: das „La Tour“ am Place des Cordeliers bietet durchgehend warme Küche mit einer großen Auswahl, und ich habe noch nie eine so leckere Pizza mit Lachs und Oliven gegessen, da lege ich mich fest!

 

Es war eine schöne Zeit hier. Es ist eine fast schon ideale Gegend für Radfahrer. Die gesamte Infrastruktur ist vorhanden, die Franzosen sind ja ohnehin ein Volk der Fahrrad-Enthusiasten. Überraschend für uns ist, dass viele Engländer und Holländer im Burgund unterwegs sind, aber vergleichsweise wenig Deutsche. Es lohnt sich aber, an dieser Stelle einmal die Werbetrommel zu rühren. Und: es gibt viele alternative Unternehmungen, der Burgund wartet auf Sie!

 

Weiteres aus der Region

 

Zu schnell vorbei? Nun, im Burgund gibt es noch Alternativen. Mehrere Routen führen an Kanälen oder an Flüssen entlang. Zum Beispiel am Canal du Centre bei Digoin oder entlang dem Canal du Bourgogne , der Tonnerre mit Dijon verbindet. Und wem das nicht reicht: die Loire ist ganz nah, und da hat man mit dem rund 900 Kilometer langen Loire-Radweg reichlich Zeit und Strecke, um sich auszutoben, vor allem aber zu entschleunigen. Vielleicht will man einmal ein Teilstück davon unter die Räder nehmen, etwa die Veloroute de l’Europe zwischen Nevers und (wieder mal) Digoin? Die lässt sich mit gut 40 Kilometern an einem Tag gut bewältigen.

 

Zu wenig Abwechslung oder Anspruch? Auch kein Problem. Mit dem MTB kann man den Morvan durchqueren, ein regionaler Naturpark mitten im Burgund. Die gesamte Strecke von Avallon nach Autun ist gut 170 Kilometer lang und bietet Natur pur und jede Menge Abwechslung. Radfahrer und Wanderer verstehen sich hier prächtig! Der Fernwanderweg „Grande Traversée du Morvan“ ist damit auch für Mountainbiker geeignet!

 

Zwei treten, zwei schauen zu: Spaß mit der Draisine

Alle haben ihren Platz gefunden, die Fahrt beginnt direkt bei der alten Eisenbahnbrücke
Alle haben ihren Platz gefunden, die Fahrt beginnt direkt bei der alten Eisenbahnbrücke

 

Wenn es mal etwas Besonderes sein darf, aber Pedale haben soll: auf einer stillgelegten Eisenbahnstrecke kann eine ganze Familie entlang der Gleise „radeln“. Dabei nehmen je 2 Personen auf den Fahrradsätteln Platz und strampeln, 2 andere können sich derweil ausruhen. Es geht als erstes über eine alte, fast 1 Kilometer lange Brücke, die die Loire überspannt. Wenn eine der kleinen Nebenstraßen überquert wird, steigt man aus und schiebt das Gefährt, um Unfälle mit dem Autoverkehr zu vermeiden. Am Ende der Strecke genießt man die Aussicht und dreht dann das Gefährt, um den Rückweg anzutreten. Irgendwie eine nette Abwechslung, wie ich finde!

 

Informationen zur Fahrt mit der Draisine

Für Hin- und Rückfahrt, jeweils gut 6 Kilometer, kann man sich zusammen 2 Stunden Zeit nehmen. Es gibt pro Tag maximal 4 Durchgänge, manchmal auch weniger. Als wir da waren, konnte man um 14:00 oder 16:00 Uhr starten. Der Startpunkt ist nicht ganz einfach zu finden: ein Stückchen südlich von Cosne-sur-Loire befindet sich der Haltepunkt Port Aubry. Dort hält man Ausschau nach den Schildern an der Brücke mit dem Hinweis „Cyclo Rail“. Die Fahrt kostet aktuell 9 Euro pro Person.